… Streetfotografie?

Streetfotografie – Menschen im Frame?
Streetfotografie – wie ich sie interpretiere – ist Fotografie im urbanen Raum (und anderswo) – mit und ohne (sichtbare) Menschen. Im Workshop Frame the Light taucht in diesen Tagen diese Frage wieder auf „Was ist denn erlaubt? Darf man in den Straßen fotografieren?“ Und heute erreichte mich diese Frage zeitgleich auch via Instagram:
„Hallo, ich verfolge das ‚giesebrecht-Profil‘ schon seit langem. Mir gefallen die Szenen der Großstadt und die eingefangene Atmosphäre sehr. Ich habe eine Frage zu dem ‚Recht am Bild‘. Auf vielen Fotos sind ja spontane Momente eingefangen- wir sehen darauf auch viele Passanten. Das verstärkt die Stimmung, die wiedergegeben wird. Auch ich mache das zuweilen sehr gerne. Aber ist die Veröffentlichung dieser Aufnahmen eigentlich erlaubt? Ich lese immer wieder, dass das ohne Zustimmung nicht rechtens ist – sehe dann aber wiederum so viele Bilder mit direkten Aufnahmen. Wie gehen Sie damit um? Ich würde mich sehr freuen Ihre Meinung dazu zu hören. Ich bin da tatsächlich etwas verunsichert … Noch einen schönen Sonntag und viele Grüße, Sirie“
Achtung: Es kommen hier keine anwaltlich geprüften Hinweise… Nur Anmerkungen zu meiner Umgehensweise mit diesem Thema, die ich auf Grundlage meiner Interpretation der mir bekannten Rechtslage praktiziere. Ich thematisiere hier auch nicht Fragen der Veröffentlichung von Fotos in Ausstellungen, der Plakatierung auf öffentlichen Plätzen oder der meiner Fotos zur Nutzung für kommerzielle Zwecke oder Einreichung in Wettbewerben.
Die Frage ist ja eine, die alle Streetfotografinnen und -fotografen insbesondere in Deutschland umtreibt. In Großbritannien und in den USA, auch in vielen anderen Ländern, da ist das kein Thema. Im öffentlichen Raum ist Fotografieren dort erlaubt… und mitunter auch durchaus goutiert. In Deutschland sind die Menschen sehr eigen. (Abgesehen davon, dass sie selbst alle mit ihrem Handy alles um sich herum eifrig filmen und fotografieren.) Sobald sie allerdings jemandem mit einer Kamera begegnen, befürchten sie, sie seien das potenzielle Motiv. (Warum eigentlich? Die Straßen bieten so oft mehr Interessantes als einzelne Personen, die sich in ihr bewegen…)
Rechtlich bewegen wir uns mit der Streetfotografie zwischen der Freiheit der Kunst und den Persönlichkeitsrechten. Die DSGVO ist hier die Grundlage.
Habe ich Bewegungsspielraum?
Ich erläutere hier, wie ich mit dieser Frage in meiner Fotografie umgehe.
Ich bemühe mich in meiner Fotografie, Menschen wenig eindeutig erkennbar oder als Elemente in einer Menge der jeweiligen Umgebung (Straße, Location) als Neben-Akteure zu zeigen. Die Straße ist eine Bühne, die Akteure, die sich in ihr bewegen, sind keineswegs die Hauptdarsteller. Sie sind die Statisten. (Und: Statisten sind unendlich wichtig, wie wir aus Filmen wissen.) Was ich nicht zeige, das sind einzelne, erkennbare Personen, die (wie in einem Porträt) das alleinige und zentrale Bildmotiv darstellen. In solchen Fällen frage ich hinterher – und gebe meine Visitenkarte mit dem Hinweis, das ich das Foto selbstverständlich gerne zur Verfügung stelle. (Selten frage vorher, weil gestellte Fotos nicht mein Thema sind.) Gern zeige ich Personen auch als Silhouetten, halb im Schatten oder unscharf.
Straßenszenen interpretiere ich als künstlerische Darstellung und/oder als Zeitdokumentation. (Solange niemand Klage erhebt, und dann müsste ein Gericht entscheiden, ob diese Fotografie Kunst ist oder die unerlaubte Abbildung einer Person. Im Zweifel besteht immer die Möglichkeit, ein Bild zu löschen, wenn jemand Einwände erhebt, weil er sich abgebildet wiederfand.)
Selbstverständlich nehme ich Personen nur so ins Bild, wie ich es auch okay fände, wenn ich diese Person wäre. (Also zeige ich Menschen nicht in peinlichen Momenten.)
Und selbstverständlich fotografiere ich auf Privatgelände (ja, auch manche Hinterhöfe von Fabriken sind Privatgelände) auch Gebäude und Fassaden nur, wenn ich mich mit dem Pförtner vorher verständigt und seine Zustimmung erhalten habe (was meist kein Problem darstellt). Die Frage was, wen und wo man fotografieren darf, sie betrifft ja nicht nur öffentliche Plätze und Passanten.
Bei Streetfotografie handelt es sich – und das zeigt ihre Geschichte – stets um die Dokumentation eines unwiederbringlichen Moments, in einer bestimmten Zeit. Bereits Fotos von vor 15 Jahren zeigen Menschen in anderer Kleidung; Stadtlandschaften, die so nicht mehr existieren, andere Werbeplakate, andere Automarken. All diese Bilder sind es wert, aufgenommen worden zu sein. Wir sind heute beglückt, dass sie existieren. Sie geben uns Einblicke in vergangene Zeiten (auch wenn es mitunter nur einige wenige Jahre sind, die inzwischen vergangen sind.) Ganz zu schweigen von dem Wert, den für uns heute Fotos aus den 1950er oder 1980er Jahren haben.
Wie verhalte ich mich?
Letztlich gilt: Ich wäge ab, was mir als zulässig erscheint. Ich bewerte die Qualität der Komposition und der Bildwirkung. Und zeige Bilder, von denen ich begründen könnte, warum sie keine Persönlichkeitsrechte verletzen. Ansonsten vertraue ich darauf: Wo kein Kläger, da kein Richter. Und falls sich jemand melden und schreiben würde, hey, ich will das nicht… dann würde ich das Bild löschen… und fertig.
Und wenn ich angesprochen werde?
Meist hilft – wie immer – Kommunikation, um offene Fragen zu klären. Vorgestern fragte mich auf einem S-Bahnhof grad jemand „Fotografieren Sie hier die Leute?“... Ich sagte „Nein, ich fotografiere das Licht und wie es die Szenen auf dem Bahnsteig umschmeichelt. Sehen Sie das Licht dort?“. „Aber Sie haben eben meine Freundin fotografiert“ … „Ja, allerdings von hinten, und zwar ihre Haare im Licht, schauen Sie… hier.. Ist das okay für Sie?“ „Hhm, na ja, das geht… gerade noch so… ja, okay.“ Sie blieb skeptisch, aber das vermeintliche Problem war keins mehr.
Solche Gespräche sind mitunter sogar nett und weiten sich aus, weil die Leute nicht selten staunen, was man da eigentlich sieht als Fotografin. Manche fragen dann interessiert nach und lassen sich mehr zeigen.
Manchmal sind diese Gespräche unangenehm, weil man sich in seiner Arbeit irgendwie fühlt, als täte man etwas Falsches. Tut man aber gar nicht.
Ich habe festgestellt, dass dahinter oft Unkenntnis der Fotografie und fehlendes Verständnis für Kameras steckt: Angesichts der Handys, denken viele, Fotos zeigen immer alles scharf und mit weiter Brennweite… Viele Gesprächspartner staunen, was fotografisch da eigentlich das Motiv war, was mit einer bestimmten Brennweite im Frame erscheint. Und nicht selten sind sie irritiert dass sie dort, wo sie dachten sie seien als Motiv zu sehen, zu 99% noch nicht einmal im Frame auftauchen. Oder halt als Silhouette völlig unkenntlich im Gegenlicht abgebildet sind.
Kommunikation hilft. Lächeln hilft sowieso immer. Unauffälliges, aber durchaus offenes Verhalten beim Fotografieren hilft auch. Ich halte nichts davon, zu verheimlichen, dass man fotografiert. Es wird nämlich meist doch wahrgenommen. Und das Selbstvertrauen dass man da nichts Unschickliches tut (weil man tatsächlich keine Bruce Gilden Shots machen will), hilft auch.
Wie immer… einige persönliche, unabgeschlossene Gedanken, die mir gerade durch den Kopf gingen. Was meinst du?

My camera and me… Or: me and my camera?
Do we actually define ourselves by our cameras? Or about our photography… I hope about the latter!
Sometimes I have the impression that it is more important to highlight which camera a picture was taken with than to simply let the picture speak for itself. And sometimes I have the impression that some camera brands create positive or negative prejudices. This reminds me of the early days of the Macintosh, when Windows and Apple users faced off in discussions.
Nowadays, all manufacturers have cameras in their product range that deliver good and very good image quality. And many photographers show that they are still able to take excellent photos even with very old cameras. So it doesn’t have to be the newest, most expensive, hippest model with which you can design your motif in the viewfinder.
It doesn’t have to be the most powerful sensor you use to record your image. (I said goodbye to analogue photography many years ago, so it is not my topic here.)
The camera helps you see, just as the pen helps you write. And of course: Some pens are simply more fun to write with than others. (The same applies to computers, of course – I made a decision years ago and am still happy with my decision to this day.) And of course: It depends on what you actually want to use your tool for. Calligraphy requires different pens than jotting down notes for a shopping list. Just like image editing and film rendering on the computer require different processors than Office programs.
So what’s the point: It doesn’t matter who has had which experiences with which camera and developed which visual language. Your optimal camera is the one you enjoy holding in your hand. The one where you can easily find your way around the menus. The one that motivates you to go out and take pictures. And yes: Of course, every new camera brings you joy and fresh motivation. But the good pictures… you see them… and you compose them. The device that you hold in your hand only implements your decisions. (And since it’s a camera, it converts what you see in front of you in three dimensions into an image of lines and areas.)
Conclusion: The only important thing is the interaction between the respective tool and its user. You have to like (or maybe love) your tool. It must enable you to achieve what you want to do with it. And the way you imagine it. It has to support you well (or even perfectly). Then it is the right one… for you. And yes: the better you master your tools, the better you can achieve what you want to achieve with them.
Choose the camera that you are comfortable with (this also applies to lenses). And then concentrate on what matters… on discovering motifs, on looking at pictures and on taking pictures. And to control your camera in your sleep.
By the way, the photos on these pages show the sweethearts of friends. My favorite tools are different. And yes, I swear by this and that manufacturer… because my cameras give me what I value and are made in such a way that I love having them in my hand. Nevertheless, we all take many bad and some good photos… each with her eyes, supported by her sweetheart.
As always… a few unfinished thoughts that were just running through my head. What do you think?

Deine objektive Betrachtung dieses doch schwierigen und auch kontroversen Thema’s diskutieren wir in unserem Fotoclub ebenfalls des öfteren. Es wird genau so gesehen wie du Dagmar. Wo kein Kläger auch kein Richter.
Meistens ist gar nicht die Person der Hauptmerkmal sondern das aussenrum, das Licht, das Fenster, die Silhouette usw
Und ja meistens ist es doch die freundliche Aufklärung, die solch Missverständnis aus dem Weg räumt !!!
Vielen Dank für deine Worte 🥂
Danke für dein Feedback, Achim.